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Beitrag vom 16.10.2009
Paris Fashion Week 2009. Das große Finale der diesjährigen Modewochen ging am 8. Oktober zu Ende
Gerlinde von Steht
Parallel zu den großen Schauen der internationalen DesignerInnen gab es mehrere Mode Messen zu bewundern. Marie-Christine von Liebe und Gerlinde von Steht haben die neuesten Trends ...
... für die kommende Saison für Sie zusammengestellt!
Flughafen Berlin-Schönefeld am Check-In nach Paris. Fabrikartiges Ambiente. Zweckmäßige, emotionslose Massenabfertigung. Ich mitten drin. Augen auf Halbmast, ferngesteuert lasse ich die Sicherheitskontrolle über mich ergehen. Doch beim Einsteigen winkt mir plötzlich eine zierliche Französin mit "Mireille Mathieu Pony" fröhlich zu: "Stellen Sie aus?" Ups! "Nein, ich schreibe!" höre ich mich roboterhaft antworten. Auf meinem Platz angekommen fällt mir plötzlich ein, dass diese sympathische Französin Mayouri Sengchanh heißt und den Standort Berlin für die Prêt-à -Porter in Paris vertritt. Und ich bin ja eigentlich Designerin, genau! Vor exakt einem Monat haben wir uns bei der Prêt-à -Porter in den Hallen von Porte de Versailles kennen gelernt, weil ich nächstes Jahr in Paris meine eigene Kollektion ausstellen werde.
Das große Finale der diesjährigen Modewochen ging am 8. Oktober 2009 in Paris zu Ende. Nach Sportswear in New York, Street- Style in London und Glamour in Mailand gab es grandiose Mode-Highlights in Paris zu bewundern. Aber was macht die Stadt an der Seine so besonders? Warum trifft sich hier die Weltspitze? Was ist es, das Berlin, München, Düsseldorf und Hamburg fehlt, um als Anziehungspunkt als Modemetropole international interessant zu sein? Wie stellen sich hier die großen DesignerInnen und Couturiers zur Schau und was bieten sie ihrem faszinierten Publikum? Mit diesen und anderen Fragen machten wir, meine Kollegin Marie-Christine von Liebe, Kunsthistorikerin und ich, in Paris auf Entdeckungsreise.
Wir sind mit der Metro unterwegs. Im 2 -Minutentakt transportiert sie die Menschen in die verschiedensten Richtungen. Die Züge sind voll. Immer. Meist abgespannte, übermüdete Gesichter, denen die Anstrengung der Zwölf-Millionenstadt anzusehen ist, lassen ihre Blicke aus dem Fenster schweifen oder sind in Gedanken versunken. Es scheint, als ob der Überlebenskampf hier wesentlich härter ist als in Deutschland. Berlin kommt mir plötzlich wie ein Dorf vor und München wie ein Kurort. Auch die typischen "For Ever Young -Teenager" die im Alter von 35 -99 Jahren, Kennzeichen Umhängetasche und Turnschuhe, in Berlin zum Stadtbild gehören und die Straßen bevölkern, sind hier kaum zu sehen. Trotz des "Savoir Vivre Flairs", das Paris unverwechselbar raffiniert und charmant macht, kommt einem diese Stadt doch erheblich pulsierender, erwachsener und härter vor. Schauen wir uns an welche Inspirationen die internationalen DesignerInnen für die Sehnsüchte der Menschen dieser Zeit kreiert haben. Die neuesten Trends für die Frühjahr/Sommer Saison–2010 haben wir hier für Sie zusammengestellt!
Viva la Diva!
Bei Christian Dior kommen Dessous ganz groß raus. Der Dior DesignerInnen John Galliano verschmelzt Elemente aus den 40´er und 90´er Jahren. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Klassische, kurze Trenchcoats bekommen durch Anlehnung an die Lingerie einen glänzenden Anstrich. Bustier-Kleider, Korsetts und Korsagen mit langen Chiffon Drapés umhüllen die Models, die sich mit Hollywood Wellen und roten Lippen in umwerfende Diven verwandeln. Auch Jean Paul Gaultier lässt sich von der Lingerie inspirieren. Das "Entfant Terrible" zeigt seinen Unterwäsche Look aber deutlich frecher. Mit glänzenden, eingearbeiteten Gaultier-typischen Kegel-BH´s-Unterröcken, laufen seine Models selbstbewusst mit seitlich geflochtenem Zopf, Sonnenbrille und Cappy über den Laufsteg.
Formen:
1. Form: Die Eieruhr
Feminine, nixenhafte Weiblichkeit von Déshabillé bis Déchiré mit einem Hauch Hollywood-Diva
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© Gerlinde von Steht |
TraumweltenDiesmal entführen uns fast alle Kollektionen der internationalen DesignerInnen in wunderbare Traumwelten. So auch die Kreationen von Valentino (Maria Grazia Chiuri & Pier Paolo Picolli), in deren Show feenhafte Fabelwesen fast nebelartig über den Laufsteg schweben. Die Märchenwesen, bekleidet mit einem Hauch von Flatterkleid wirken sehr anmutig. Auch Riccardo Tisci, der Givenchy Designer, drapiert seine Models in transparente wallende Gewänder. Außerdem zu sehen bei Lavin, Stella Mc Cartney, Chacharel.
2. Form: Die GitarreBreite runde Schultern, schmale Taille & runde Hüften: Feminin wie Marilyn und Sophia Loren
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© Gerlinde von Steht |
AtlantisDer Avantgardist Alexander Mc Queen hat sich von Unterwasserwelten inspirieren lassen: Mit bunten Reptilienmustern, glänzenden Fischschuppen-Minikleider mit gehörnten Frisuren und super-high Plateau-Schuhen verwandelte er Models in Seemenschen.
Vorsicht wild!Ob Minidress, wild gemustert mit Lederhosen bei Balmain, Leoparden Zweiteiler bei Giambattista Valli oder exotische Drucke bei Dries van Noten: Der Amazonen Look wirkt ungebändigt und selbstbewusst. Raubtiere sind wieder mal auf dem Vormarsch und verwandeln graue Mäuse in gefährliche Wildkatzen. Marc Jacobs schneidert diesmal ein radikal neues Bild für das Mode Label Louis Vuitton. Er zeigte seine Models durchweg mit Afro-Frisur. Dazu passende Kleider mit tropischen Mustern. Aber es ginge ihm um einen Reisenden, so Marc Jacobs, besonders um die Bewegung, die nach dem Punk aufkam, dann haben wir noch über Trekking und Hiking nachgedacht- und Denim und Parkas.
Soft & CleanDesignerin Phoebe Philo überzeugte mit ihrer Gradlinigkeit. Aus puristischem Stil und sportlichem Luxus schuf sie bei Celine ein Gesamtkunstwerk, das mit "Standing Ovations" belohnt wurde und so verhilft sie dem alt eingesessenen französischen Label zu neuem Ruhm. Scharf geschnittene Minis in Trapezform und Marlenehosen aus steifen Sackleinen kombinierte sie mit weich fließenden Seidenblusen samt Riesenschleife, softe Drapierungen und weit schwingende Miniröcke.
Auch Yves St. Laurent, Karl Lagerfeld setzen auf schlichte feminine Schnitte, meist in Schwarz-Weiß gehalten. Trotz einfacher Linienführung, Farben in Naturtönen oder Schwarz-Weiß, gaben sie ihren Werken durch florale Elemente oder weit schwingende Kurzmäntel einen soften Touch. Jean Paul Gaultier für das Label Hermes überzeugte mit seiner konsequenten, minimalistischen Kollektion, die sich an Tennismode orientiert und in hellen beige oder weiß Tönen Weiblichkeit und Lässigkeit gekonnt zu mixen weiß.
3. Form: Das X1990er Come Back: Breite Schultern, schmale Taille, kurzer Trapezrock oder Short
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© Gerlinde von Steht |
LandliebeKarl Lagerfeld verwandelte eine riesige Scheune nach Vorbild des Landsitzes von Königin Marie Antoinette und liess seine Models im Heu rekeln. Der süße Land-Look lebt von aufwendigen Details wie Mohnblumenapplikationen im Dirndlstil. Zerrupfte Haare und super High Heel Clogs rundeten die verspielten Glockenkleidchen aus Häkelstoff oder schwarz-weißen Chiffon ab. Tweed Kostüme waren natürlich auch dabei. Dazu sind für den Abend Cocktailkleider in schwarz oder creme die perfekte Ergänzung.
HappinessNicht nur Karl Lagerfeld lässt seine Landmädels süffisant taumelnd lächeln. Auch bei Sonja Rykiel war das Motto: Girl´s wanna have Fun! In kräftigen Farben, Ringelpullis, fetzigen Kleidern und Strumpfhaltern, Wuschelhaaren mit kleinen Hütchen liefen sie, freundschaftlich untergehakt Arm in Arm über die Bühne. Höhepunkt war der transparente Doppelreiher Trench.
4. Form: Das AOb geblümtes Babydoll oder schlichtes Tageskleid: Die A Linie ist jetzt überall angesagt.
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© Gerlinde von Steht |
In Hülle und TülleViktor & Rolf stutzen Unmengen von Tüllbergen in Form: Wie wandelnde farbige Bäume aus dem englischen Garten, schwebende Königinnen in bodenlangen A- Röcken mit Miedern gemixt, sie lustwandelten mit überdimensional asymmetrischen Krägen, aus längst vergangenen Zeiten neu aufgelegt in Paris zur Schau.
5. Form: Oh, ein Ei!Eine runde Sache: geschützt wie ein Küken
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© Gerlinde von Steht |
Parallel zu den großen Schauen der internationalen DesignerInnen gibt es zeitgleich mehrere Mode Messen in Paris zu sehen.
Atmosphere im Jardin des Tuileries zeigt die Kollektionen von DesignerInnen aus 20 verschiedenen Ländern. "Ready to Wear" hat Fun Faktor,
The Box zeigt Fancy Accessoires,
Première Classe basiert auf Iconography und Flower Power. Hier werden Materialien zu neue Expressionen wiederverarbeitet,
Rendez-Vous Femmes zeigt besondere Contemporary Fashion. Auch der Online Showroom
www.lenewblack.com gehört dazu, Fame Tuileries bringt zweimal pro Jahr, im März und Oktober, 100 internationale Women´s Fashion Brands zusammen. Privilegierte gut etablierte Label und junge DesignerInnen sind hier zu bewundern, Workshop Shows Paris basiert auf der Idee der kompletten Garderobe und zeigt etablierte DesignerInnen und "New Arrivals", Tranoi vereint drei symbolische Locations: Finanzen, Kultur und Luxus. Für internationale Collections und Events, die man sich nicht entgehen lassen darf!
Gespannt schauen wir uns um und entdecken einige DesignerInnen, an deren Ständen sich die InteressentInnen tummeln. Dabei fällt auf, dass durchaus Fröhlichkeit und Optimismus herrscht – sicher nicht zum Schaden der Umsatzzahlen. Vielleicht nach dem Motto "Lacht der Krise ins Gesicht und sie tut Euch nichts?" Genaues weiß keiner.
Anzunehmen, dass viele das Gejammer von der Krise endgültig satt haben. Und es ist keine Neuigkeit, dass in Krisenzeiten der Hang zu Luxus, Glamour, Harmonie und Fröhlichkeit schon immer da war.
Der Stand von Orla Kiely, Designerin aus London, verbreitet eine frische, fröhliche Atmosphäre. Ihre Welt ist bunt. Seit 1990 entwirft sie Mode und Accessoires. Ornamente und Muster entwickelt sie selbst und ist so unverwechselbar mit ihrer eigenen Signature wiederzuerkennen.
"Je mehr die Leute von Krise reden", so heißt es bei Orla,
"desto besser läuft´s bei uns". Retro-Mode, die sie mit Ihrer persönlichen Handschrift und ihrem optimistischen Spirit versehen hat und zu moderaten Preisen anbietet führen durchaus zu weltweitem Erfolg.
www.orlakiely.comDie Luft in den Messehallen ist stickig. Wir nehmen erstmal eine Stärkung zu uns. Alles wird in Plastik serviert. Der überquellende Mülleimer, voll mit leeren Sushi Plastik oder Wrap-Schachteln bietet einen grotesken Kontrast zu den Ständen, die für Ethic, Ökologie, Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit plädieren. Mein Blick wandert zu einer zierlichen Designerin mit langen roten Haaren, die, auf einem barocken Sofa sitzend, gegenüber vom Imbiss noch deplazierter wirkt als die Ökos nebenan. Auf ihrem nostalgischen, fast unwirklichen Stand sind märchenhafte, stilvoll verschnörkelte Kreationen zu sehen, die aus einer längst vergangenen Welt scheinen.
Liliza | |
© Liliza |
Liliza ist Elisa Umberti´s eigenes Luxus Label. An der Central Martin School of Art and Design in London (John Galliano, Alexander Mc Queen etc.) studierte sie Design. Dann liess sie sich in Paris nieder. Seit 2006 betreibt sie ihr eigenes Label. Ihre Kreationen vereinen poetische Eleganz, Kindlichkeit und Nostalgie. Ausschließlich hochwertige Luxus Stoffe verwendet sie für ihre Linie.
www.liliza.comFür meinen Geschmack ist es viel zu warm auf der Messe. Am liebsten würde ich jetzt in einen kühlen Pool springen, denke ich. Da kommt das Bademode Label
Ilha by Delfina aus Italien gerade recht. Familientradition á la Italia. Mutter Delfina Janetti und Sohn Ludovico aus Rom stellen gemeinsam ihre Kollektionen vor. Uns jedenfalls hat die mal lässige, mal verspielte und immer tragbare Strandmode sehr gefallen. Nur der Pool fehlte leider.
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© Ilha by Delfina |
Hinter dem Label
La Casita de Wendy aus Madrid stehen Inés und Ivan, zwei junge Designerinnen aus Madrid. Sie haben Architektur und Philosophie studiert und seit 2001 Ihre Leidenschaft für Mode entdeckt. Iberische Märchen sind die Basis ihrer Ideen. Ihre Modelle überzeugen durch starke Farben und originelle Schnitte.
www.lacasitadewendy.com | |
© La Casita de Wendy |
Weitere Infos finden Sie unter: www.modeaparis.comText & Zeichnungen: Gerlinde von Steht:
www.peppart.com